Gedenkfeier zur Erinnerung an den
75. Jahrestag der Zerstörung von Einsiedel
im Februar und März 1945
Am 05.03.2020 jährte sich zum 75. Mal die Zerstörung Einsiedels durch amerikanische und englische Bomber.
Wie in den vergangenen Jahren auch, wurden alle Einsiedler durch den Verein der Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer Einsiedel und den Ortschaftsrat eingeladen, am Ehrenmal auf dem Friedhof an einer Gedenkveranstaltung teilzunehmen.
Dieser Einladung waren über 100 Einsiedler Bürgerinnen und Bürger gefolgt!
In seiner Rede gedachte er der 146 Menschen, die diese Bombenangriffe nicht überlebt haben.
Er schilderte akribisch, welche ungeheuren Mengen an Bomben, Luftminen, Spreng- und Brandbomben über Chemnitz und Einsiedel abgeworfen wurden. Er beschrieb auch das Leid der betroffenen Menschen und die ungeheure Vernichtung von Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden, Betrieben und Verkehrsanlagen.
Einsiedel, die „Perle im Zwönitztal“, wurde zu 93% zerstört und war damit die am stärksten betroffene Landgemeinde in Sachsen.
Als Höhepunkt der Gedenkveranstaltung wurden drei Gedenktafeln enthüllt.
Frank Schreiber sagte dazu:
“Wir enthüllen nun, in ehrendem Gedenken an die hier beigesetzten Toten, eine vom Verein Haus + Grund Einsiedel initiierte und vom Ortschaftsrat Einsiedel, sowie der enviaM AG finanziell unterstützten Installation von drei Erinnerungs-Gedenktafeln zum 75. Jahrestag der Bombardierung von Einsiedel am 5. März 1945.“ [1]
Nach der Enthüllung der Tafeln ergriff Pfarrer Johannes Dziubek das Wort.
Auch er gedachte der Opfer und der Zerstörungen, die dieser Märztag 1945 hinterlassen hat. Unter anderem sagte er:
„Es ist für mich immer wieder bewegend, in den Listen die Namen derer zu lesen, die in den Stunden des Bombenhagels ums Leben gekommen oder Tage später an den Verletzungen gestorben sind: 74 Menschen aus Einsiedel werden in einer solchen Liste namentlich erwähnt, 45 Einwohner von Erfenschlag, 2 Berbisdorfer, 6 Chemnitzer und 19 weitere Opfer, die der Krieg als Flüchtlinge oder Zwangsarbeiter aus Tschechien, Ostpreußen, Lettland und Wolhynien nach Einsiedel geführt hat.
Jeder einzelne Tote war ein unendlicher Verlust für seine Kinder, Geschwister, Eltern und Freunde.
13 Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren sind unter den Toten und elf Kinder im Alter von 6 – 14 Jahren. Neben ihren Namen finden sich meist die Namen ihrer Mütter, die mit ihnen starben. Fünf Jugendliche starben, zwischen 15 und 18 Jahre alt, und vier junge Frauen zwischen 19 und 25.
Von manchen Familien finden sich gleich fünf Namen auf einmal – Menschen unterschiedlicher Generationen, ausgelöscht auf einen Schlag.“ [2]
Er sprach aber auch die Ursachen an, die letztendlich zu diesen Bombenangriffen geführt haben.
Dazu formulierte er Folgendes:
„Schon bevor der 2. Weltkrieg begonnen hatte, war klar, was die in Deutschland herrschenden National-Sozialisten vorhatten: Sie waren entschlossen, rücksichtslos anderen Völkern wegzunehmen, was sie dem eigenen Volk geben wollten: sei es Lebensraum, seien es natürliche Ressourcen, oder auch Kulturgüter, Kunstschätze und sonstiges Hab und Gut von Menschen anderer Nationen. Sie sahen das eigene Volk als Herrenvolk. Sie sangen: „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.“ Ein Menschenleben galt ihnen nicht viel: nicht das Leben der von ihnen so genannten „Volksgenossen“, das Leben der Menschen aus andren Völkern erst recht nicht. So forderte der Krieg eine unvorstellbar hohe Zahl an Menschenleben in ganz Europa.
Aber das Unheil, das im Namen unseres Volkes über die Völker gebracht wurde, kam schließlich zurück in unser Land. Die Strategie, große Städte zu vernichten, um die Moral des Feindes zu brechen, wurde von England und Amerika übernommen. Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß, ja Tod und Zerstörung – diese unvermeidlichen, furchtbaren Auswirkungen des Krieges trafen deshalb auch unsere Heimat mit aller Grausamkeit.“ [3]
Seinen Beitrag beendete Pfarrer Dziubek mit einem alten Friedensgebet.
Nach Beendigung der Veranstaltung lud er alle Teilnehmer ein, die kleine Ausstellung zur Zerstörung von Einsiedel in der Kirche zu besuchen.
Im Anschluss daran verlas ein Mitglied der Kirchengemeinde einen Erlebnisbericht von Walter Fischer.
In diesem Bericht wird unter anderem Folgendes beschrieben:
„Fast täglich gab es jetzt Fliegeralarm. Und als am 6. Februar 1945 über Einsiedel die ersten Bomben fielen und zwei Menschenleben zu beklagen waren, machte sich in der Bevölkerung starke Unruhe bemerkbar. Jetzt schien es ernst zu werden.
Eine Woche später, am 14. Februar, fielen mittags bereits wieder Bomben und richteten im Talsperrengebiet Schaden an. Am gleichen Abend erfolgte der erste schwere Angriff. Man hatte zunächst so genannte Leuchtkörper fallen lassen, die die Nacht taghell erleuchteten.
Unter dem folgenden Bombenhagel entstanden 30 Brände, 42 Familien wurden obdachlos und verloren Hab und Gut. Ein Einsiedler Einwohner und drei Tschechen fanden den Tod. In den Wäldern und auf den Feldern lagen unzählige Brandbomben.Sollte unser Ort versehentlich heimgesucht worden sein? Galt dieser schwere Angriff nicht vielmehr unserem nahen Chemnitz. Fast tröstete man sich bei diesem Gedanken. Bald jedoch sollten wir furchtbare Gewissheit haben. Der 5. März wurde zum Schicksalstag unseres Ortes.“ [4]
Den Abschluss der Veranstaltung bestritt nochmals der Posaunenchor.
Die meisten Teilnehmer begaben sich nach der Veranstaltung in die Kirche, um die Ausstellung zur Zerstörung von Einsiedel im März 1945 zu besichtigen.
Wir danken ganz herzlich den Kameraden Freiwilligen Feuerwehr Einsiedel, die die Veranstaltung abgesichert haben.
Quellen:
- [1] Frank Schreiber, Rede auf der Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Bombardierung von Einsiedel am 05.03.1945, Einsiedel 05.03.2020
- [2] Johannes Dziubek, Rede auf der Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Bombardierung von Einsiedel am 05.03.1945, Einsiedel 05.03.2020
- [3] Johannes Dziubek, Rede auf der Gedenkveranstaltung zum 75, Jahrestag der Bombardierung von Einsiedel am 05.03.1945, Einsiedel 05.03.2020
- [4] Erlebnisbericht von Walter Fischer
Chronologie der Entstehung der Gedenktafeln
20.04.2018
Im Rahmen einer Zusammenkunft der Geschichtsgruppe werden erste Ideen zum Aufstellen von Gedenktafeln auf dem Friedhof entwickelt. Silvio Müller übernimmt die organisatorische Verantwortung.
12.05.2018
Der Textentwurf wurde mit dem Kirchenvorstand abgestimmt und bestätigt.
Silvio Müller legt einige Kostenvoranschläge vor.
Die Finanzierung ist noch offen.
21.03.2019
Nach längerer Zeit wird das Thema „Gendenktafeln“ wieder angesprochen.
Vor allem über die Finanzierung wird beraten.
18.04.2019
Die Geschichtsgruppe berät über vorliegende Kostenvoranschläge und weitere Vorschläge und Ideen zur Realisierung der Tafeln.
16.05.2019
Umfassende Präsentation der vorliegenden Kostenvoranschläge und Realisierungsideen durch Silvio Müller.
Die Mitglieder der Geschichtsgruppe stimmen den favorisierten Entwürfen einstimmig zu.
Der Vorstand des Vereins der Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer Einsiedel e.V. lehnt diesen ab (Finanzierung).
13.06.2019
Erneut entbrennt eine Diskussion über die Tafeln. Die Zustimmung der Mitglieder der Geschichtsgruppe wird bestätigt.
Finanzierungsvorschläge für den Rahmen der Tafeln durch den Verein der Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer Einsiedel e.V. werden besprochen.
19.09.2019
Der Text auf den Tafeln wird nochmals bestätigt.
Die Finanzierung ist geregelt.
17.10.2019
Der günstigste Kostenvoranschlag wird bestätigt und der Auftrag zur Erstellung der Tafeln ausgelöst.
Der Bau des Rahmens für die Tafeln muss noch geklärt werden.
23.01.2020
Die Tafeln sind fertig und werden den Mitgliedern der Geschichtsgruppe präsentiert.
Über die Möglichkeiten der Herstellung eines Rahmens für die Tafeln wird erneut diskutiert.
20.02.2020
Der Rahmen wird von Horst Heidernätsch hergestellt und inclusive der Tafeln auf dem Mahnmal des Friedhofs montiert.
Der Ablauf der Veranstaltung am 05.03.2020 wird besprochen.
27.02.2020
Unter der Leitung von Horst Heidernätsch und unter Mithilfe einiger Gehilfen werden die Tafeln im Rahmen befestigt und auf dem Friedhof montiert.
05.03.2020
Die Tafeln werden im Rahmen einer Gedenkveranstaltung feierlich enthüllt.
Wir danken Silvio Müller ganz herzlich für sein Engagement von den ersten Ideen bis zur Fertigstellung der Tafeln.
Dank gilt auch dem Vorstand des Vereins der Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer Einsiedel e.V für die tatkräftige Unterstützung bei allen organisatorischen Fragen.
Besonderer Dank gilt dem Ortschaftsrat Einsiedel sowie der enviaM AG, ohne deren finanzielle Hilfe eine Realisierung der Tafeln nicht möglich gewesen wäre.
Text und Fotos: Gerald Claus