Im Rathaus brennt noch Licht …
Mit reichlich Vorprogramm begann das heutige Treffen, zu dem sich zwölf Mitglieder und drei Gäste eingefunden hatten. Schon vor 18 Uhr berichtet Dietmar Vieweg, dass das „Café zur Talsperre“ im Nachgang von Malerarbeiten plant, das Treppenhaus der Pension mit Einsiedler Bildern zu dekorieren und entsprechend an den Verein herangetreten ist. Eine kurze Diskussion begann, das weitere Vorgehen wurde besprochen.
Auch erklärt der Vereinsvorsitzende die Hintergründe für den Austausch von Tischen und Bestuhlung hier im Zimmer – jetzt nicht mehr so „präsidial“ von vorher, aber deutlich mehr Platz im Raum lassend.
Peter Weber zeigt eine VHS-Kassette, auf welche in den 1990er Jahren das alte Acht-Millimeter-Filmmaterial vom finalen Wiederaufbau der Einsiedler Kirche übertragen wurde. Sämtlich Aufnahmen, die sein Vater Joachim Weber seinerzeit gedreht hat. Da nun die Zeit auch das VHS-Format überholt hat, wird beschlossen, dieses historisch wertvolle Material entsprechend zu digitalisieren.
Gotthard Clauß überlässt dem Verein leihweise zwei Ordner. In einem finden sich Bilder und Anekdoten zur Siedlung, die Gotthard Hüttl zusammengetragen hatte. Der andere Ordner beschreibt die Gewässer in Einsiedel und damit sind nicht die Zwönitz und der „Papierteich“ gemeint, sondern die vielen kleinen und kleinsten Bäche, Teiche und Dümpel. Beide Ordner sind zum Verleih an Mitglieder und Interessenten bestimmt.
18:07 Uhr setzt dann Ingobert Rost zum Hauptpunkt unserer heutigen Veranstaltung an. Wie versprochen, zitiert er Passagen aus dem alten Protokollbuch des Erzgebirgszweigvereins Einsiedel. Siehe auch unser Treffen unter dem 21. Juni d. J.
Mit „Schreib das bloß alles auf!“ nennt er das Motto seines Vortrages – ein ernstgemeinter Hinweis darauf, dass es eben nicht ausreicht, alles heimatgeschichtlich Passende zu sammeln, sondern sich auch immer entsprechende Notizen zu machen. Eine Aufgabe, die nie endet, sollen relevante Daten und Bilder für die nachfolgenden Generationen zuordenbar bleiben.
Den Löwenanteil an der Autorenschaft des von 1911 bis 1932 reichenden Protokollbuches hält der Einsiedler Oberlehrer Richard Möbius (*1876; † 1957). Das vorliegende Buch ist eigentlich schon der zweite Band, indes genügten Möbius die Niederschriften aus Band 1 nicht, sodass er vieles weiter und tiefer verfasste und hier erneut niederschrieb. Alles geschrieben in Sütterlin, was seinerzeit gängige Praxis war, aber heute das Lesen schwierig macht.
Umfassend berichtet uns Möbius von einem geplanten Turmbau auf der Dittersdorfer Höhe, ein angedachtes Gemeinschaftswerk zwischen den Erzgebirgszweigvereinen Einsiedel und Dittersdorf, welches letztendlich nicht realisiert wurde.
Einen Nachruf zum Tod des verdienstvollen ehemaligen Einsiedler Gemeindevorstandes
Max Hugo Seydel (*1853; †1921; –> Seydelstraße) liest Ingobert Rost jetzt vor und verweist auf eine eingeklebte Todesanzeige.
Eine ins Protokollbuch eingeschlagene, originale Liedpostkarte des erzgebirgischen Volksdichters Anton Günther aus Gottesgab (Böhmen) wird präsentiert, die dieser anlässlich eines Jubiläums des Zweigvereins nach Einsiedel sandte.
Auch Georg Mühlmann, von 1894 bis 1921 in Einsiedel als Forstmeister tätig, war Vereinsmitglied und zusammen mit Seydel eine der tragenden Stützen bei der „fremdenverkehrstechnischen Erschließung“ unseres Heimatortes. (Heute würde man von Tourismus sprechen.)
Beschrieben wird der Kauf des Spitzberggeländes zur Errichtung des „Etablissements Waldesrauschen“ und auch hochinteressante Vertragsbestimmungen dazu aus alter Zeit zitiert Ingobert Rost.
Selbst die Kontrolle des Vereins durch das Sächsische Amtsgericht Chemnitz ist niedergeschrieben und Belegen ergänzt.
Eine Vervollständigung der Geschichte einer Schiffsreise des Drechsler Ott’s nach Amerika wird von Ingobert Rost vorgetragen. Hier gab es Hinweise von Dritten, die er der Runde nicht vorenthalten will. (Siehe dazu den „Einsiedler Anzeiger“ August 2023.)
Schlussendlich noch ein größerer Beitrag über das ehemaligen „Schweizerhäusel“ Am Naturbad. Der seinerzeitige Besitzer Herbert Seidel wurde Ende der 1940er Jahre unter fadenscheinigen Gründen denunziert, durch die sowjetische Besatzungsmacht wegen Spionage angeklagt, nach Moskau verbracht und 1951 dort erschossen.
1994 rehabilitiert, erinnert eine Gedenkstele in Moskau an die vielen Opfer dieser Zeit und auch Herbert Seidels Name befindet sich darauf.
Unser Mitglied Bernd Brendel, als „Ur-Siedlungsbewohner“ schon in seiner Kindheit Nachbar von „Schweizerhäusel“, erinnert sich, dass er von seinem Vater öfter dorthin zum Bier holen geschickt wurde.
Es folgen noch einige kurze Nachbrenner aus der Einsiedler Geschichte von verschiedenen Mitgliedern, bis Ingobert Rost unser heutiges Treffen um 19:14 Uhr beendet.
Carsten Claus
10. September 2023
Fotos (Bildrechte ebenda): Schwarz-weiß: Ingobert Rost; bunt: Carsten Claus